Kategorie: Gedichte
Weiße Krähe (Zweite Fassung)
Nach M. Haushofer
Weiße Krähe,
abgesetzt, zurück
gestoßen
vom übrigen
so lärmreichen Schwarm.
In sicherem
Abstand,
zu anderen Schnäbeln,
fielst vorsichtig du ein.
Futter gab ich dir,
als geschwunden der Schwarm,
Nahrung meinem
Gewissen auch.
Weiße Krähe,
die deinen sind
meine Gesetze auch,
als zwei Verschlagene
richten wir uns auf…
Weiße Krähe (Erste Fassung)
Nach M. Haushofer
Geflogen kam
eine weiße Krähe,
wie abgeschlagen,
hinter dem übrigen
Schwarm.
In sicheren Abstand,
vom gleißenden Krähenbaum,
nahm sie ihren
Platz ein,
in einem anderen
Geäst.
Als schwand der Schwarm
fütterte ich sie, die Bedrohte,
einbüßte sie
ihre Scheu sogar,
sie, die nur kannte,
die Gesetze des Schwarms…!
Entflohen,
allen Schwärmen,
begann zu begreifen
auch langsam ich…!
Skatabend
Aufschlagen
auf den Tisch die Karten,
der aufdeckt
die Karten der Schläger.
Alles wird
gleichmäßig verteilt,
Gewinne, Verluste,
wie Bier und Urin.
Wenn sie aufstehen,
ähnelnd den Neigen
in Geldbörse wie Glas,
ist der Verstand
oft keine Sieben mehr wert.
Der Blick aus dem Fenster
Sonne lugt herein,
ihren Gruß erwidre
ich frühlingshaft gern.
Vor dem Kirschbaum,
gegenüber,
eine Mauer, grau verputzt,
erschwerend das Klettern,
doch was wär ohne sie
der Kirschbaum uns Kindern
gewesen nur.
Ein Ziegeldach
begrenzt den Himmel,
vor Jahren schlug
ein Blitz ihm ein.
Himmelszorn,
doch viele Tauben
tummeln auf dem
Dachfirst sich.
Weiter rechts,
ein grüner Fleck nur,
der Kindheit
Gänseparadies.
Weichen mußte
seine Hälfte
dem Lob der dörflichen
Kultur.
Ich schließ das Fenster,
denn ein Regen
wirbelt aufwärts
feuchten Staub.
Atlas
Trag den Himmel auf den Schultern,
verschweige meinen Buckel drum.
Wer könnte mir die Last auch glauben,
säh unter ihr er mich zu krumm.
Maikätzchen
Als Korkball, oder
zu groß geratene Maus
spielen hinein sie
in ihren
wachsenden Sommer sich.
Dorfnacht (anhaltinisch)
In naher Ferne, gemessen am
Abstand der Häuser nur,
heult ein einsamer,
unzufriedener Hund.
Im Garten Eden,
dem des Nachbarn,
bewegt der Wind
die Blätter sacht.
Weit draußen,
auf freiem Felde,
geht nächtens es um:
Dort verirrten, vor mehr
als dreihundert Jahren,
zwei Liebende sich.
Die Kaiserlichen aber,
waren nicht weit.
Mit letztem Blaff
versucht der Hund
die Nacht noch einmal
zu durchbohrn‘,
der Mond scheint doch
zu fehlen ihm.
In mehr als
dreihundert Jahren sind
uns näher gerückt,
nachts über die Felder,
die Kaiserlichen,
bedrohlicher noch.
Einer Küstenbewohnerin
Des Meeres Kühle,
wie dringt sie aus dir.
Des Meeres Wesen,
auch Wärme zu speichern,
für kühlere Zeiten,
bleibt dir so vertraut.
Will niemand denn baden,
nur in deinen Fluten,
du Schaumgebor’ne,
und wogen mit dir!
Achill
Des Menschen Ferse erst beweist,
wie weit der Kopf zu gehn‘ vermag.
Des Menschen Ferse, die zerreißt
den Traum des Kopfs‘ an einem Tag.
Rotkäppchens Hochzeit
Den Wolf im Arm, als Bräutigam,
trippelt sie froh zur Kirche hin.
sie dachte klug, als sie ihn nahm:
das Fressen geht ihm aus dem Sinn,
leben wir erst als Frau und Mann
und gibt er sich mir arglos hin!
In Bälde ihn zurecht ich trimm‘,
was heut‘ er wohl kaum ahnen kann,
das Märchen ende drum halb so schlimm!
Der Gestrandete
Von Wellen in den Sand geworfen,
fiebert er sich ins Meer zurück.
Leichen, vom Sturme angeschwemmt,
umgeben als Gefährten ihn.
Sein Schrei verhallt in nackten Felsen,
wo sandverklebte Augen irren,
doch Einsamkeit droht, geiergleich,
am Ende rasch ihn zu verschlingen.
Das Ohr vernimmt die Brandung noch,
den Boten weiter Lebensferne;
als kalter, dumpfer Grabgesang
gellt sie ihm bald höhnend nach.
(geschrieben 1975, auf dessen Wunsch hin einem Szeneburschen geschenkt. 1977 bekam ein anderer Bekannter es in Gaschwitz wieder in die Hände gedrückt, als subversive Literatur. Wenig später wollte auch die „Sicherheit“ wissen, wer der Verfasser sei.)
Nur eine Liebe …
Nur eine Liebe mehr genügt,
zu ändern diese Welt von Grund.
Schaut, wie sie jeden Zorn besiegt,
und jedem Grau setzt neues Bunt.
Ihr Lächeln tilgt wohl alle Schatten,
die weiter wüchsen, bis zur Nacht,
drum sollt ihr sie auch euch gestatten,
nur eine Liebe, welche Macht!
Der Kuchenhering
(bibliothekarisches Tischgebet)
Hering und Kuchen, welche Wonne,
ich könnte verschlingen, davon eine Tonne.
Hat auch der Kuchen zuviel Kalorie,
fehln‘ sie beim Hering, dem gräulichen Vieh!
So gleicht zum Schluß sich alles aus,
Genuß, Gesundheit in einem Schmaus.
(in Liebe gewidmet der großartigen Bibliothekarschulküche!)
Resümee
Hab‘ einen Korb von ihr bekommen,
nur leider ist er viel zu klein.
Hätt‘ sie ’nen größren doch genommen,
packt‘ in ihn ich meinen Kummer ein.
Triumph der Technik
Jesus wollte gen Himmel fahren,
stieg munter in das Raumschiff ein.
Und mußte drinnen bald erfahren:
kein Fliegen ohne Führerschein.
Im Stile der „goldnen Zwanziger“
Junge, in deines Lebens Mai
wirfst du die Liebe zum Fenster raus:
und in fünfzig Jahren ist alles vorbei,
dann schenkt man dir den letzten Strauß.
K.
Anmutig, wie ein Falter schwebt,
durch ihres Frühlings Garten sie,
umsegelt Netze, die gespannt
verräterisch von Spinnen sind.
Am Gartenende angelangt,
beginnt ihr Sonnenspiel erneut.
Manchmal durchstößt sie
Grenzen schon,
berührt den Sommer,
nah verzückt.
Doch andre Augen wachsen erst,
in der Umschlingung seines Lichts.
Kleines Lied
Ich habe dich getroffen,
du gingst zu rasch vorbei!
Wie gern würd‘ ich doch hoffen,
so gingen mal wir zwei..!
Auf eine vollkommene Liebesnacht
Mit hundert Augen,
sah zweie ich nur!
Nachmittags …
Das Gras unter mir,
fremder Weiden
Besitz.
Zerdrück ich’s,
träumt darauf,
beständig,
es sich doch
leidlich wunderbar…!
And’ren Schafen,
aber später,
wächst in den Mund
zu Tod‘ es sich..!
Porträt A. Dorn
In allen Farben
malt er dir
die Welt
und seine
Hände ruhn‘,
sie zu verschönen
für dich nie.
Sein Stärk’res aber,
die Gedanken,
wie sehr befreit
dein Dasein sie
von jeder Hemmung
ihres Fluges.
Einem tiefblauen Augenpaar
Kein Irrlicht schwebt
in diesen Weiten,
umschlossen bleibt
von hellem Ton:
das Dunkelblau,
die Sommerfarbe,
Gewitterblau,
was niemals droht.
„Darf passieren“, murmelte
in seiner Wachhütte der greise,
rheumatische Schäferhund,
ließ ein den Hausfreund,
der ihm überließ ein frisches,
vorzüglich mariniertes Steak.
Der Hund des Herrn Pastors
betete sein Wörtchen stets mit,
geschickt placiert
neben der aufnahmebereiten Kollekte.
Fest ins Auge fasste
er alle Kirchgänger,
zitternde Hände
gaben gern und viel.
Jahre sind Ränder
eines Wegs.
Blumen,
wächst aus ihnen
die Zeit.
Ein Spitz nimmt nie was krumm,
er wär ja auch schön dumm:
denn nähm` er krumm manchen Witz
hieß bald er nicht mehr Spitz.
Keine Schönheit
vermag mehr zu fesseln
als jene,
die beständig weiß
voll Güte ihren
Geist zu öffnen.
Ein Wolf verfluchte laut vorm Tresen
der Trunksucht unheilvolles Wesen:
wo sei sein klarer Blick geblieben,
er säh der Geißlein nun schon sieben!
Ein Krebs, der gar zu Tische kam,
sprach vor dem Mahl apathisch,
zum Koch, der keine Fische nahm:
er sei ihm nicht sympathisch.
Du gleichst dem Herbst
Du gleichst dem Herbst, dem Farbenfinder,
der Trauer mit Schönheit überstreicht,
in dem man träumt und neue Kraft
für kommende Zeiten finden will.
Die herbe Schönheit der Natur,
aus Deinen Zügen bricht sie vor,
als eine Gewalt, die freundlich grüßt
und sorgsam jeden Weg umfriedet.
Herbst der Hoffnung, sei beständig,
geh‘ in jedes Tal hinein!
Entdeck‘ dich weiter deiner Welt nur,
die neu dich sucht an jedem Tag.
(aus 1974)
Das gleiche Licht
Das gleiche Licht,
daß morgens findet
dich wieder, brennt
in fremden Augen.
Und trägt es seine
Sonnenfäden
zu anderen,
sie zu erhell’n,
bricht’s schmerzend sich
allein auf dir nur,
bricht’s schmerzend sich
auf deiner Haut.
Es kann niemals
im Leben gleichen,
das Licht dem Lichte
doch vereint
es Fremdes stets,
in seinem Dasein,
dem Lächeln unter
Tränen gleichend…