Der Stellvertreterkrieg

Bären und Wölfe rauften sich um die Herrschaft im Walde, doch konnte keine Partei die Alleinherrschaft erringen. Aus dieser Einsicht heraus schloß man einen Gewaltfrieden, doch trachtete jede Seite danach, die andere zu überlisten um der Möglichkeit vorzubeugen, daß einer von beiden durch den Frieden zu sehr gestärkt würde.
„Wir haben zwar Frieden mit den Wölfen“, meinte der Anführer der Bären, „aber nicht die anderen Tiere des Waldes. Stacheln wir sie doch zum Krieg gegen die Wölfe auf.“ „Das käme einem kompletten Vertragsbruch gleich“, mahnte ein anderer Bär, „ziehen wir lieber nur einen begrenzten Teil auf unsere Seite herüber“.
So geschah es, die Bären bemächtigten sich des Rotwilds, die Wölfe, aber, die derartige Tendenzen natürlich rechtzeitig beobachteten, des Schwarzwildes. Schließlich brachte man den Konflikt derart zum Sieden, daß es zum Kriege zwischen den jeweiligen Verbündeten von Bären und Wölfen kam. Dieser dauert beharrlich wie blutig an, lediglich die Füchse ließen sich nicht endgültig integrieren. Wechselweise helfen sie beiden Seiten, vermeiden jegliches Übergewicht und warten vergnügt darauf, daß ihre eigene Herrschaftsstunde kommen möge….“

Wölfe sind sehr soziale Tiere, blökte ein Hammel vor der Herde, “vor allem wenn sie gesättigt sind.“

 
Aphorismen sind prägnant-kunstvolle, in sich geschlossene Sinnsprüche, die Erfahrungen, Erkenntnisse oder Lebensweisehiten vermitteln. Mit derzeit über 70.000 verfassten Aphorismen (Sie sehen Nr. 39399 der Sammlung) ist der Leipziger Schriftsteller Martin Gerhard Reisenberg einer der bekanntesten zeitgenössischen Aphoristiker. Auf seinem einzigartigen Literaturblog veröffentlicht er peu a peu sein gesamtes Werk, welches neben der riesigen Aphorismen-Sammlung auch aus diversen Gedichten, Haikus und Kurzgeschichten besteht.